Ein Mädchen mit weissem Schleier, ein
lächelnder Junge mit Pullover, ein alter Mann mit goldener
Mütze, ein Junge in Uniform...
Die in abendländischer Manier in Öl gemalten
Bildnisse sind der Versuch einer würdevollen Darstellung
dieser Portraitierten. Denn sie alle sind Zeitungsbildern
entnommene Personen, deren Namen nicht genannt wurden.
Die jeweiligen Bildlegenden geben einzig
Aufschluss über die Gegend, in der diese Menschen leben und
über den Anlass der Fotografie: eine Katastrophe, ein Krieg,
ein (meistens schlimmer) Sachverhalt, von dem eine Vielzahl
Personen betroffen ist. Die Abgebildeten dienen der
Illustration dieser Tatsachen. Sie sind Weltstatisten,
gesehen aus westlicher Perspektive.
Die Künstlerin hat diesen Statisten eine
Solobühne erstellt und ist bei der malerischen Umsetzung in
einen intimen Dialog mit den Abgebildeten getreten. Auf
diese Weise wurden diese Menschen aus der anonymisierenden
Zeichenhaftigkeit (z.B. Illustration eines Volkes/eines
Kontinents) herausgelöst und begegnen nun den
BetrachterInnen als starkes Gegenüber.
Die traditionelle ästhetische Form dieser
Portraits steht inhaltlich wie medial im krassen Gegensatz
zur Schnelllebigkeit eines Zeitungsfotos. Auf der einen Seite
wird die verbürgte Wahrheit und Realität - der
Informationstransfer - einer Zeitung behauptet. Und auf der
anderen Seite steht die Langsamkeit aber auch Zärtlichkeit
einer veralteten Darstellungstechnik, deren Wirkung gänzlich
von der Fertigkeit aber auch Zuwendung der Malerin abhängt.
Mit den schweren Goldrahmen erhalten diese Bildnisse eine
zusätzliche Veredelung, die auf eine museale Würdigung
hinweisen oder zumindest eine Gewichtung in unserer
Wahrnehmung reklamieren.
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